Handlungspläne! Was tun, wenn alles gegen mich läuft?

Im Sport kommt es immer wieder zu Situationen, in denen scheinbar alles gegen einen läuft. Als hätte sich der Sportgott von einem abgewandt. Viele Fußballer des HSV werden im DFB Pokal Halbfinale gegen den SC Freiburg ähnlich Gedanken gehabt haben. Mich brachte die Betrachtung des Spiels auf jeden Fall dazu, dem Thema einen Artikel zu widmen und euch die Methode Handlungspläne vorzustellen.

Ein Beispiel

Der Außenseiter HSV hat sich für das Spiel bestimmt viel vorgenommen. Mit nur einem Spiel könnte die Saison, die ansonsten wohl eher enttäuschend verläuft, gerettet werden. Das Wetter ist schön und das Volksparstadion ist ausverkauft: Die Erwartungen der Fans und der Verantwortlichen sind groß und die Pläne, wie das Resultat positiv gestaltet werden kann, sind bestimmt intensiv erarbeitet und trainiert worden. Und dann das: Nach der ersten Halbzeit ist das Spiel faktisch entschieden. Dabei ist es ein weitgehend offenes Spiel: Die Ballbesitzphasen sind ausgeglichen und der HSV ist stark in der Zweikampfführung. Doch durch einfache und unnötige Fehler fallen Gegentore. Dann wird ein sehr unglücklicher Elfmeter ausgesprochen und selber werden beste Chancen vergeben. Zu allem Überfluss wird das geschossene Anschlusstor aberkannt.

Das Problem

Offensichtlich haben einige – so sah es zumindest von der Körpersprache her aus – HSV-Spieler mit dem Schicksal angefangen zu hadern. Das wirkt sich nicht förderlich auf die Konzentration und die Umsetzung des ursprünglichen Handlungsplans aus. Wie könnte professionell und erfolgversprechend reagiert werden? Im systematischen Mentaltraining hätte man sich natürlich längst einen Handlungsplan für eine solche Situation erarbeitet. Im individuellen Mentaltraining werden solche Situationen eingeübt. Für den Mannschaftsport werden zudem Gruppenpläne erarbeitet, damit nicht individuelle Pläne den Gesamtplan behindern.

Der HSV ist unter dem aktuellen Trainer gut zu besprechen, da die grundlegende sportlich-taktische Planung überwiegend gleich bleibt. Der HSV strebt Ballbesitz an und führt sehr viele Positionswechsel aus. Zudem übt der HSV über das gesamte Feld Druck auf die Gegner aus. Was ist jetzt häufig zu beobachten in kritischen Situationen?

  1. Nach einem Gegentor nimmt die Intensität (Pressing, Geschwindigkeit) zu.
  2. Bei (hohen) Rückständen werden Motivationsgesten (z.B. sich auf die Brust klopfen, als „kommt schon Jungs, Kopf hoch Geste“) ausgeführt.
  3. Eine härtere Gangart in den Zweikämpfen.

Häufig ist ein solches Vorgehen Kontraproduktiv. Wäre das erste Beispiel sinnvoll, dann spiele ich doch direkt so! Und die Notwendigkeit einer Motivationsgeste zeigt doch eigentlich nur, wie es um die wahre Emotionalität und den Glauben an Erfolg der Mannschaft bestellt ist. Dies nimmt auch der Gegner wahr. Das dritte Beispiel ist einfach das Resultat von Frust, mit dem der Spieler nicht umgehen kann. Wahrscheinlich kommt er nicht in den Genuss eines regelmäßigen Mentaltrainings 😉 ! Wie geht es aber besser? Was bewirk hier Mentaltraining?

Handlungspläne in der Praxis

Ich möchte auf das zweite Beispiel eingehen. Als gesamte Mannschaft lege ich einen Handlungsplan für schlechte Situationen fest. Handlungspläne beinhalten immer drei Ebenen: Handlung, Emotion und Kognition. Die Handlung sieht dann in diesem Beispiel so aus. „Nach dem Gegentor gehe ich direkt in meine Spielhälfte. Ich gehe aufrecht und Atme einige Male tiefe aus. Ich nehme Blickkontakt zu Mitspielern auf und wir nicken uns entschlossen und wissend zu.“ Die emotionale Lage muss natürlich jeder Spieler individuell anpassen. Hier ist die unwillkürlich erscheinende Emotion die Ausgangslage des Trainings. Vielleicht ist diese bislang Verzweiflung, Enttäuschung und Wut. Dann wird sie von Gedanken (kognitive Ebene) begleitet wie: „Das Spiel ist verloren“, „Das wird heute nichts“ oder „Alles umsonst“. Das tiefe Ausatmen trägt erst einmal zur Entspannung bei und dann wird der eingeübte Handlungsplan ausgeführt.

Die Gedanken sind dann beispielsweise: „Toll, das wird jetzt eine große Herausforderung, so mag ich das!“ oder „Das Spiele ist noch lange nicht vorbei und wir sind gut im Spiel“. Die passende Emotion ist Zuversicht, Vorfreude und vielleicht auch ein wenig Trotz. Im Training werden durch Visualisierungsübungen Situationen, in denen große Herausforderungen bewältigt wurden, verstärkt. Diese führe ich mir in der Situation vor Augen und tue so, als ob ich in dieser oder kurz vor dieser Situation bin.

Die feinen Unterschiede, ob jemand wirklich einen Handlungsplan für schwere Situationen hat oder nicht, sind im Verhalten von außen kaum Sichtbar. In der Konsequenz macht es aber einen riesigen Unterschied, ob ich mich von spontanen Gedanken, Gesten und Emotionen leiten lasse – die dann im Mannschaftssport auch wenig koordiniert sind – oder ob ich systematisch trainierte Handlungspläne für mich und die Mannschaft habe. Ich hoffe, dass ich einige Anregungen liefern konnte. Probiere es einfach aus und melde dich bei Fragen.

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